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Imberger Horn und StrausbergDie Nachtruhe war dank einer harten Matratze und einer ruhigen Umgebung ebenso erholsam wie im eigenen Bett. Um kurz vor 7.00 Uhr wachte ich mit einem ähnlichen Gefühl im Bauch auf wie als Kind an Heiligabend. Kurz darauf stand ich auf und studierte die einschlägige Literatur, um nach Ideen für Wanderungen und Touren zu suchen: Außerdem machte ich eine Liste der Gegenstände, die ich mir im Laufe der nächsten Tage besorgen wollte. Dazu gehörten ein paar leichte Handschuhe, ein kleiner Regenschirm und eine wasserdichte Jacke. Die erste Mahlzeit gab es um 9.30 Uhr. Sie bestand aus etwa einem Kilogramm Wassermelone mit Kernen. Meine Obst- und Gemüsehändlerin hatte bei ihrer Wahl ein gutes Händchen, die Melone war perfekt reif und schmeckte ebenso lecker wie die Früchte, die ich auf Sizilien kennen gelernt hatte. Um kurz vor 11 Uhr waren Guido und ich startklar für unsere nächste Tour. Heute sollte es hinauf auf das Imberger Horn, dem „Hausberg“ von Bad Hindelang, gehen. So präsentierte sich der Gipfel heute Morgen von unserem Balkon aus: Der Weg führte durchs Dorf hinunter zur Talstation der Hornbahn: Wir ließen aber die Bahn sozusagen links liegen und wanderten zu Fuß zur Bergstation hinauf: An der Aufstiegsseite herrschte das rötliche Gestein Cenoman vor, das laut Alpenführer dafür verantwortlich war, dass auch in steilem Gelände eine reichhaltige Flora anzutreffen war: Ich war fasziniert, wie viele verschiedene Pflanzen hier wuchsen. Nicht alle waren mir bekannt, deshalb konnte ich nur einige aufzählen: Trollblume, Gewöhnliche Akelei, Alpenrose, Berg-Baldrian, Echter Speik, Läusekraut, Gold-Pippau, Teufelskralle und Frauenmantel. Von der Bergstation der Hornbahn ging es auf schmalen Pfaden Richtung Gipfel: Von dort hatte man einen herrlichen Ausblick bis hinunter nach Sonthofen: Auf der anderen Seite hätte man bei schönem Wetter die Nebelhornkette und Berge wie den Beschießer erkennen können. Wie gestern kam nach dem Erreichen des Gipfels ein kräftiger Wind auf und der Regen nahm an Heftigkeit zu. Dieses Mal musste uns allerdings kein Engel zur Hilfe kommen, ich war dank der Regenjacke Guidos, die er selbst nicht benötigte, gut gegen Wind und Wasser geschützt. Vom Imberger Horn mit einer Höhe von 1656 Metern ging es weiter zum nächsten Gipfel, dem Strausberg: Das Gipfelkreuz sstand hier auf 1654 Metern: Der Abstieg vom Strausberg hinunter zur Strausberg Alp war teilweise mit Drahtseilen gesichert, was ich als Anfängerin im Bergablaufen sehr hilfreich fand. Beim Erreichen der Strausberg Alp hatten sowohl Wind wie auch Regen merklich nachgelassen: Im Inneren herrschte reges Treiben, so dass wir darauf verzichteten, uns hier länger auszuruhen. Der Außenbereich war für mich sowieso wesentlich interessanter: Nach dem Verzehr von etwas Schnittlauch, einer Blüte der schwarzäugigen Susanne und zwei Blättern der Kapuzinerkresse ging es wieder zurück zur Bergstation der Hornbahn: Der Abstieg folgte über die Horn-Alpe und entlang eines asphaltierten Wirtschaftsweges: Je tiefer wir kamen, desto weniger regnete es, gleichzeitig stieg die Temperatur. Beim Erreichen des Ortsrandes von Bad Oberdorf war mir so warm, dass ich mich erst einmal von einem Teil meiner Hosen befreien musste, bevor es weiter Richtung Ferienwohnung ging: 6,5 Stunden dauerte unsere Tour, die Streckenlänge betrug etwa 20 Kilometer, dabei waren etwa 1100 Höhenmeter zu überwinden. Als Reiseproviant hatte ich Kohlrabi und roten Spitzpaprika dabei, die ich aber nicht anrührte. Stattdessen aß ich unterwegs fleißig Walderdbeeren und Wildkräuter wie Wiesenbocksbart, Margeritenblüten und Brennnesselblätter. Um 18.30 Uhr gab es eine Mahlzeit mit 700 Gramm Wassermelone. Gegen 19 Uhr hatten sich so gut wie alle Regenwolken verzogen, so dass wir noch einmal zu einem zweistündigen Spaziergang rund um Bad Hindelang aufbrachen. Im Licht der Abendsonne sah alles noch viel schöner aus als durch den Regenschleier des gestrigen Abends und des heutigen Tages. Im Augenblick konnte ich mir keinen Ort der Welt vorstellen, an dem ich lieber gewesen wäre. Die letzte Mahlzeit begann um 22.00 Uhr und bestand aus 390 Gramm Mango, 330 Gramm Papaya und 200 Gramm Wabenhonig. Kurz darauf wurde ich während eines Telefongesprächs kurz aus dem kleinen Paradies hinausbefördert. Hatte ich das jetzt den Früchten oder dem Honig zu verdanken?
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Diese Seite wurde zuletzt am 15. November 2019 um 22.30 Uhr GMT geändert. |